Die Aussage Katrin Göring-Eckardts, der Export von hoch subventioniertem Rest-Hühnerfleisch nach Afrika stelle die Fluchtursache für somalische Bauern dar, stimmt eher nicht. Während in den Jahren 2010 bis 2015 keinerlei Fleisch nach Somalia exportiert wurde, waren es 2016 8,3 Tonnen unzerteiltes Hühnerfleisch und damit kein Rest-Fleisch. Subventionen oder Freihandelsabkommen zwischen Deutschland und Somalia bestehen nicht. Ob ein Zusammenhang zwischen dem Hühnerfleischexport und der Anzahl der somalischen Geflüchteten besteht, ist unklar.
Katrin Göring-Eckardt traf diese Aussage im Wahlkampf am 04. September 2017 während des TV-Dreikampfes von Linken, Grünen und CSU im ZDF (28:50). Das Zitat fiel im Kontext der Bekämpfung von Fluchtursachen mit dem Hinweis, dass auch Deutschland aktiver Verursacher von Fluchtursachen sei. Wir überprüfen dieses Zitat auf Basis der Annahme, dass Göring-Eckardt mit “uns” die Bundesrepublik Deutschland meinte.
Zunächst einige Fakten zu Somalia: Von Januar bis September 2017 registrierte das Bundesamt für Migration 5.285 Asylsuchende aus dem ostafrikanischen Land (im Vergleich zu 16.088 aus dem Irak oder 36.832 aus Syrien). Die Landwirtschaft trägt in Somalia rund 60 Prozent zum BIP bei und ist somit der Hauptbeschäftigungssektor des Landes.
Im Jahr 2016 exportierte Deutschland Nahrungsmittel tierischen Ursprungs im Wert von 21.114 Millionen Euro. Davon macht der Export von Hühnerfleisch rund 849 Millionen Euro aus. In den Jahren 2013 bis 2015 wurden davon wiederum durchschnittlich 1,6 Prozent in sogenannte Least Developed Countries (LDCs) exportiert, zu denen auch Somalia zählt.
Und wie viel deutsches Hühnerfleisch geht konkret nach Somalia?
Auf Anfrage von stimmtdas.org antwortete das Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dass Deutschland in den Jahren 2010 bis 2015 weder Fleischwaren noch genießbare Schlachtnebenerzeugnisse nach Somalia exportiert hat. 2016 seien 18,9 Tonnen im Wert von 51.000 Euro exportiert worden. 8,3 Tonnen im Wert von 14.000 Euro entfielen laut BMEL dabei auf die Kategorie Hühner (unzerteilt/gefroren). Teile oder Schlachtnebenerzeugnisse von Hühnern seien nicht nach Somalia exportiert worden.
Hohe Subventionierung: In Somalia Fehlanzeige
Im Oktober 2016 vereinbarte die Europäische Union das seit 2007 kontrovers diskutierte Freihandelsabkommen mit den sechs afrikanischen Ländern Namibia, Botswana, Swasiland, Südafrika, Lesotho und Mosambik. Die Länder erhalten dadurch zollfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt, im Gegenzug öffnen die afrikanischen Handelspartner ihre Märkte für Produkte aus Europa und beseitigen Zölle für die Einfuhren aus Europa. Das Abkommen wird dafür kritisiert, den afrikanischen Markt durch billige Importe aus Deutschland zu gefährden. Mit Somalia existiert derzeit jedoch kein vergleichbares Abkommen.
Fazit: In den Jahren 2010 bis 2015 wurden weder Rest- noch andere Fleischerzeugnisse nach Somalia exportiert. 2016 wurden 8,3 Tonnen unzerteiltes und gefrorenes Hühnerfleisch in das Land exportiert. Noch genießbare Schlachtnebenerzeugnisse, also Rest-Hühnerfleisch, wurde laut Aussage des BMEL seit 2010 nicht exportiert. Ebenso liegt keine Subventionierung und kein Freihandelsabkommen für den Warenexport von Deutschland nach Somalia vor. Inwiefern ein Zusammenhang zwischen Hühnerfleischexporten und Fluchtursachen von SomalierInnen besteht, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Dass Hühnerfleischexporte auf breiter Front somalischen Landwirten das Geschäft kaputt machen und diese deshalb fliehen, erscheint jedoch aufgrund der geringen Exportzahlen zumindest in Bezug auf Deutschland unwahrscheinlich. Da zwar keine subventionierten (Rest-)Hühnerfleischexporte nach Somalia bestehen, Göring-Eckardts These aber auf andere LCDs durchaus zutreffen mag, stimmt das Zitat der Grünenpolitikerin eher nicht.
Update 24.10.2017
Das Team von Kathrin Göring-Eckardt hat auf twitter auf unseren Faktencheck reagiert.
Danke. Ist uns damals auch aufgefallen. Katrin hat seit dem immer vom ghanaischen Kleinbauern gesprochen. Problem bleibt das Gleiche. /GET
— Katrin Göring-Eckardt (@GoeringEckardt) 24. Oktober 2017
Ein Gedanke zu „Flüchtlingskrise durch Fleisch-Exporte?“
Kommentare sind geschlossen.
Liebe Linda, gut recherchiert. Weitere Quellen wären https://www.novo-argumente.com/artikel/welthunger_brot_fuer_die_welt_und_broesel_fuer_afrika und http://blog.zeit.de/ladurnerulrich/2017/01/13/fluechtlinge-westafrika-fluchtursachen-migration-eu-huehnchen/ sowie https://www.welt-sichten.org/artikel/32706/wir-ruinieren-nicht-afrikas-bauern