Die Aussage von Klaus Ernst, Deutschland befinde sich unter den Top Ten der Schattenfinanzplätze weltweit, stimmt.
Klaus Ernst verweist in einer Pressemitteilung zum Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung vom 31. Januar 2018 darauf, dass sich Deutschland unter den Top Ten der Schattenfinanzplätze weltweit befinde. Auf Anfrage von stimmtdas.org erklärte Ernst, dass er sich auf den sogenannten Schattenfinanzindex (Financial Secrecy Index, FSI) bezogen hatte, welcher zur Beurteilung der Transparenz eines Finanzplatzes heran gezogen werden kann.* Der Schattenfinanzindex wird seit 2009 vom Netzwerk Steuergerechtigkeit für 112 Länder ermittelt. Deutschland befindet sich darin auf Rang 7 — also tatsächlich in der Top Ten.
Bei der Berechnung zieht das Netzwerk eine Vielzahl von Indikatoren in den Bereichen Unternehmenstransparenz, Steuersystem und ‑verwaltung, internationale Zusammenarbeit sowie Registrierung von Eigentum ein. Der Index setzt sich aus zwei Werten zusammen:
1. Geheimhaltungswert: Transparenz von Finanztransaktionen in einem Land
2. Größe: Anteil eines Landes an internationalen Finanzdienstleistungen
Wie transparent sind Finanztransaktionen in Deutschland?
Der Geheimhaltungswert (Secrecy Score) gibt an, inwiefern Transaktionen anonym bleiben können, Daten ausgetauscht werden und welche Instrumente der Staat zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche einsetzt. Deutschland weist hier einen Wert von über 59 Prozent auf (Stand 2017). Betrachtet man nur diesen Wert, dann landet Deutschland im Gesamtranking im unteren Drittel auf Platz 81. Somit weist Deutschland einen, verglichen mit anderen Staaten, relativ niedrigen Prozentanteil an Geheimhaltung auf und liegt bezüglich der Transparenz im oberen Drittel.
Wie viele (intransparente) Finanztransaktionen finden in Deutschland statt?
Wird der Anteil an internationalen Finanzdienstleistungen einbezogen, dann ergibt sich ein anderes Bild. Da Deutschland ein großer Finanzplatz ist, weist die Bundesrepublik einen relativ hohen Wert von mehr als fünf Prozent Marktanteil an den globalen Finanzdienstleistungen auf.
Wie wird die Transparenz in Deutschland insgesamt eingeschätzt?
Die ersten zehn Staaten und Hoheitsgebiete mit der höchsten Geheimhaltung wie der südpazifische Inselstaat Vanuata (88,68% Secrecy Score) haben nur einen Marktanteil von 0,35% an den globalen Finanzdienstleistungen. Kleinere Finanzplätze mit international vergleichsweise hohen Geheimhaltungswerten wirken sich also weniger schädlich aus als große Finanzplätze wie z.B. die Schweiz, die USA oder Deutschland mit vergleichsweise geringen Geheimhaltungswerten. Im Gesamtranking wird daher der Geheimhaltungswert mit dem Umfang der Finanztransaktionen ins Gewicht gesetzt. Hier landet Deutschland insgesamt auf dem siebten Platz, gehört also in die Top 10 der weltweiten Steueroasen.
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Fazit: Die Aussage von Ernst, Deutschland liege im Ranking der Schattenfinanzplätze weltweit unter den Top Ten, stimmt. Obwohl die Geheimhaltung bei Finanztransaktionen in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten mit 59 Prozent noch relativ niedrig ist, finden hier besonders viele Finanztransaktionen statt, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass auch dubiose Finanzgeschäfte abgewickelt werden. Durch diese Gewichtung ergibt sich ein relativ hoher Schattenfinanzindex und Platz 7 für Deutschland in der Gesamtwertung.
* Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version des Artikels hieß es, dass weder Die Linke noch Klaus Ernst selbst auf unsere Anfrage zur Datengrundlage geantwortet hatten. Vor der Veröffentlichung des Artikels hatten wir jedoch doch noch eine Mail von Ernst erhalten, in welcher der Politiker bestätigte, dass er sich bei seiner Aussage auf den FSI bezogen hatte.